Verein

Traum(a)Geburt e.V.


Offizielle Presse-Mitteilung der Roses Revolution Deutschland 2020

25.11.2020: Internationaler Tag gegen Gewalt gegen Frauen –

„Roses Revolution“, ein Zeichen setzen gegen Gewalt in der Geburtshilfe

 Rödermark/Stemwede 20.11.2020


Am 25. November findet in diesem Jahr zum achten Mal der Aktionstag Roses Revolution in Deutschland statt.

Betroffene von Respektlosigkeit und Gewalt in der Geburtshilfe sind aufgerufen und eingeladen, an diesem Tag rosa Rosen vor den geburtshilflichen Einrichtungen und an Orten abzulegen, an welchen sie derartiges erfahren haben. Die rosa Rose steht symbolisch für ein Sichtbar werden einer erfahrenen missbräuchlich - gewaltvollen Behandlung im Kontext von Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett und das daraus resultierende individuelle Leid von Betroffenen. Sie betrifft Mütter und ihre Kinder sowie auch sekundär das andere Elternteil, GeburtshelferInnen und Fachpersonal sowie GeburtsbegleiterInnen. Die von angehendem Fachpersonal miterlebte Gewalt während der Ausbildung und im Arbeitsalltag, vor allem im klinischen Kontext, welche durch betroffene GeburtshelferInnen zunehmend aufgezeigt wird, fällt ebenfalls darunter.  

(In diesem Jahr ist eine Rosenablage aufgrund der Covid-19 -Pandemie nur eingeschränkt möglich. Ein Zeichen gegen Gewalt setzen ist aber auch 2020 postalisch mit Brief, Postkarte oder einer virtuellen Rosenablage möglich. Weitere Informationen hierzu findet man auf der Facebook-Seite der Roses Revolution Deutschland.) 

Das System „Geburtshilfe und Geburtsmedizin“ krankt in allen Bereichen – die Gewalt in der Geburtshilfe ist alltäglich und rückt in den letzten Jahren deutlicher ins öffentliche Bewusstsein, nicht zuletzt im Rahmen der allgemeinen Kampagnen gegen Gewalt an Frauen. Es handelt sich um psychische und/oder physische Gewalt, ebenso wie die strukturell-systematisch bedingte Über- oder vor allem Unterversorgung von Schwangeren und Gebärenden. Diese betrifft nicht nur Maßnahmen und Abläufe während der Geburt, sondern auch die außerklinische Vor- und Nachsorge. Eine echte und freie Wahlmöglichkeit, auf den Geburtsort und eine sichere Betreuung bezogen, besteht für Schwangere definitiv nicht, auch wenn sie weiterhin gerne als Qualitätsmerkmal benannt wird.

Im Jahr 2019 übernahm der Verein Traum(a)Geburt e.V. zunächst die Patenschaft für die Erfahrungsberichte von Betroffenen, welche auf der Facebook-Seite „Roses Revolution Deutschland“ jedes Jahr ab dem 25.11. anonym veröffentlicht werden, um die Gewalt für Außenstehende sichtbar werden zu lassen. 2020 erfolgte dann offiziell die Übernahme der Organisation der Roses Revolution Deutschland.

Zunehmende Aufmerksamkeit erhielt das Thema in den letzten beiden Jahren durch eine erhöhte mediale Präsenz- unter anderem durch Dokumentationen des WDR: „Wenn die Geburt zum Albtraum wird“ und „Gewalt im Kreißsaal“. Hier wurde durch eine Hebamme und mehrere Betroffene sehr deutlich kommuniziert, wo Ursachen liegen und welche schwerwiegenden Folgen geburtshilfliche Gewalt und die Tabuisierung dieses Themas in allen Lebensbereichen für Familien nach sich ziehen kann. Auch in den Printmedien stieß das Thema endlich auf ein zunehmendes Interesse, was nicht zuletzt der jahrelangen intensiven Aufklärungsarbeit von Organisationen, Vereinen und AktivistInnen in diesem Bereich zu verdanken ist.

In diesem Zuge kam es auch zu einer deutlichen Auseinandersetzung mit der Frage einer Belangbarkeit der erlebten Gewalt sowohl im Zivil- als auch im Strafrecht. Die im März 2019 gegründete Facebook-Gruppe „Rosenmütter Recht und Klage“, welche Eltern zum Austausch offensteht, die gegen diese Gewalt rechtlich vorgehen wollen, verzeichnete großen Zulauf. Es zeigen sich erhebliche Missstände im Umgang mit diesen Rechtsfällen und den Betroffenen auf Seiten der deutschen Justiz. Aufklärung und Information in diesem Bereich der Gewalt stehen noch ganz am Anfang. In diesem Kontext ist eine Diskussion der Individualrechte von Mutter und Kind notwendig.   

Im Rahmen der massiven Kritik am Einsatz eines Medikamentes zur Geburtseinleitung, bekannt unter dem Handelsnamen „Cytotec“, wurden im Jahr 2020 öffentlich sowohl Indikation und Verhältnismäßigkeit bei erheblichen möglichen Nebenwirkungen wie auch die fehlende Aufklärung der Schwangeren und der häufige Einsatz des Medikamentes intensiv diskutiert. Betroffene organisierten sich erstmals zum Austausch und für rechtliche Schritte. Die Webseite „Cytotec stories“ bietet hierzu Informationen.

In diesem Jahr zeigte sich eine deutliche Eskalation der bereits bekannten Missstände durch den Einfluss der Covid-19 -Pandemie und der daraus resultierenden Vorgaben und Maßnahmen. 

Es fehlte (und fehlt weiterhin) eine länderübergreifende einheitliche Vorgehensweise und es kam in Folge zu einer willkürlichen, teils täglich und lokal variierenden Umsetzung von Vorgaben, welche ohne jede Verhältnismäßigkeit und Besonnenheit Schwangere und ihre Familien in massiven Ängsten und Traumata zurückließ. 

Betroffene und GeburtsbegleiterInnen berichteten zahlreich von fehlender Betreuung, unverhältnismäßigen Vorgaben und Trennung von der Bezugs-/Begleitperson während Vorsorge-Terminen in der Schwangerschaft, während der Geburt sowie in der nachstationären Behandlung. Berichte aus dem Ausland hinsichtlich einer Isolation des Neugeborenen bei Nachweis einer Infektion der Mutter sorgten für Aufsehen. Zahlreiche Vereine und Institutionen, wie unter anderem beispielsweise die WHO und die La Leche-Liga äußerten sich kritisch und betonten in Stellungnahmen und Veröffentlichungen die Notwendigkeit einer Begleitperson bei der Geburt, die Unabdingbarkeit eines Zusammenbleibens und Bondings - auch hinsichtlich der Relevanz der Stillbeziehung von Mutter und Neugeborenem, wenn keine gravierenden gesundheitlichen Einschränkungen dagegensprechen.    

Das Tabu-Thema Gewalt in der Geburtshilfe fand erstmals auch eine erhöhte Aufmerksamkeit in den direkt betroffenen Gruppen – unter anderem werdende Väter riefen Petitionen ins Leben zur Sicherstellung einer Begleitperson / ihrer Anwesenheit in den Kreißsälen. Die Situation für werdende Eltern und Fachpersonal hat sich in den letzten zwei Jahren nicht verbessert. Auch in 2019 wurde eine steigende Anzahl von eingegangenen Berichten erfasst, es waren 229 gemeldete Fälle von Gewalt. Für 2020 zeichnet sich hinsichtlich des statistischen Erhebungsbogens bereits eine ähnliche Tendenz ab.

Die Roses Revolution ist mit ihrem Aktionstag am 25.11. weiterhin ein existentiell wichtiger Aufruf, dass die Gewalt in der Geburtshilfe auch im Jahr 2020 umfassend existiert. Vielmehr ist diese Gewalt in unseren Augen bezüglich der nicht ausreichend hinterfragten Akzeptanz von ethisch definitiv kritisch zu bewertenden Entscheidungen in Krisensituationen sogar deutlich eskaliert. Wir schließen uns hiermit der bereits seit Jahren deutlichen Forderung von AktivistInnen, Organisationen und Vereinen nach einer kritischen Reflektion der Entwicklung unserer Geburtskultur und einer erhöhten Gewichtung des Themas Geburtshilfe -politisch, juristisch und gesellschaftlich- an. „Die Missstände sind nicht länger tolerierbar, gefährden Mütter, Kinder und ihre Familien sowie Berufsgruppen massiv in ihrer körperlichen und seelischen Gesundheit mit langfristigen schweren Folgen für unsere Gesellschaft.“  (C. Domke, Traum(a)Geburt e.V.) 

 

Die in den letzten Jahren bereits forcierte Diskussion auf politischer und gesellschaftlicher Ebene muss im Sinne von zügig umzusetzenden und umfassenden Maßnahmen zur Sicherstellung einer menschenwürdigen und gesunden Geburtshilfe und Geburtsmedizin in Deutschland intensiv fortgeführt werden- auch und gerade unter Pandemie-Bedingungen.

Deutlich angesprochen sind neben Politik und Justiz in diesem Kontext auch die beteiligten Berufsverbände, welche sich, wenn überhaupt, bisher in ihren öffentlichen Stellungnahmen hauptsächlich mit den strukturellen Ursachen dieser Gewalt auseinandersetzen.

„Es besteht seit Jahren ein dringender Handlungsbedarf und Betroffene sind nicht bereit, diese Zustände und ihre daraus resultierenden schweren Traumatisierungen und Folgen hinzunehmen. Wir erwarten anhand der Arbeit aus 2019 im Vergleich zu den Vorjahren einen erneuten Anstieg in der Beteiligung am Roses Revolution Day 2020.“ 

Traum(a)Geburt e.V.

 

Weitere Informationen zum Thema Gewalt in der Geburtshilfe und der resultierenden Folgen:

www.gerechte-geburt.de

www.traumageburtev.de

Facebook:      

Roses Revolution Deutschland, Roses Revolution 2019   


 
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